|   Eine
    Brücke zwischen früher und heute bauen, über die junge Leute gehen können  
    Ex-Rolling Stones-Bassist Bill Wyman ist auf
    Deutschlandtournee und heute in Kaiserslautern - Ein Gespräch unter anderem über das
    neue Album "Groovin"  
    30 Jahre hat er den Bass bei der berühmtesten Rock 'n'
    Roll-Band der Welt gezupft. Nach "Struttin'our stuff" und "Anyway the wind
    blows" ist das im Mai erscheinende Album "Groovin'" die vorerst letzte
    Veröffentlichung einer Trilogie, mit der Ex-Rolling-Stone Bill Wyman einen musikalischen
    Bogen zwischen heute und den 20er Jahren spannen möchte. Derzeit stellt Wyman das Album live
    vor. Seine Deutschland-Tournee führt ihn heute nach Kaiserslautern.  
    Frage: "Struttin' our stuff" und
    "Anyway the wind blows" waren die ersten zwei Teile einer angekündigten
    Trilogie. Was beinhaltet der nun mit "Groovin" betitelte dritte und letzte Teil
    en detail?  
    Bill Wyman: Zum einen
    soll der Titel nicht zu sehr programmatisch interpretiert werden. Das Konzept war von
    Anfang an das, in Vergessenheit geratene Songs der Vergangenheit wieder aufleben zu
    lassen, aufzuzeigen, welch großartige Songs die Rockgeschichte seit Beginn der Populären
    Musik hervorgebracht hat. Wenn die Musik kommerziellen Hintergrund gehabt hätte, hätte
    ich mir solche Musiker wie Gary Brooker, Georgie Fame, Albert Lee, Roger Waters, Chris Rea
    oder Mick Taylor nie leisten können. Wir finden die Idee groovig, die Musik groovig, also
    machten wir den Song "Groovin'" zum Motto des Albums.  
    Frage: Mit Sicherheit ist es nicht leicht,
    derartige Songperlen aus der Rockgeschichte herauszufischen. Was waren die Kriterien?  
    Wyman: Höre
    ich mich heute durch die Charts, muss ich feststellen, dass es nicht mehr so viele gute
    Songs gibt. Eigentlich gibt es die schon seit den 70ern nicht mehr. Es gibt zu viele
    Kopien und zu viele Songs, die nie wirklich entdeckt wurden. Als ich zu Beginn der 60er
    Jahre mit den Stones tourte, spielten wir viele alte Blues-Songs, die in Deutschland kaum
    wer kannte. Heutzutage sind diese Songs noch unbekannter. Mir gefällt es solche Songs zu
    recherchieren und aufzupeppen. "Groovin'" ist eine Mixtur aus Songs aus den
    späten 30ern bis in die frühen 70er. Etwas Blues, Jazz, Rock 'n' Roll und einige eigens
    für das Album geschriebene Songs.  
    Frage: Wenn man auf dem Album Songs wie "I put a
    spell on you" von Nina Simone hört, hat man den Eindruck, dieses Album sei
    kommerzieller angelegt, weil etwas bekanntere Songs, als auf den ersten beiden Alben zu
    finden sind.  
    Wyman: Ja, das ist richtig. Wir
    spielten zum Beispiel auch "Daydream" von den "Lovin' Spoonful" neu
    ein. Die ersten zwei Alben waren zwar recht erfolgreich, aber mir ging es auch darum, das
    Projekt der "Rhythm Kings" etwas populärer zu machen, nicht unbedingt
    kommerzieller, aber populärer. Das gelingt nur mit populären Songs oder neuen Hits. Und
    neue Hits zu schreiben, war nie mein Anliegen. Mir geht es mehr darum, so etwas wie eine
    Brücke zwischen früher und heute zu bauen, eine Brücke, über die junge Leute gehen
    können, um diese Songs auch für sich entdecken zu können.  
     
    Frage: Wie sehen Sie die Entwicklung der letzten 30 Jahre in
    der Rockmusik?  
    Wyman: Grundsätzlich
    bewegt sich alles in einem Kreislauf. Aber die vergangenen 20 Jahre waren ein einziger
    großer Kreislauf. Es ist nicht wirklich viel passiert. Ich mag all diese Revivals nicht.
    Punk war auch nichts wirklich Neues. Auch das gab es schon vorher. Leute wie David Bowie
    nutzten diese Bewegung, um auf den Zug einer neuen Mode aufzuspringen. Im Grunde genommen
    war Punk nutzlos und unkreativ. Bands wie die "Sex Pistols" klauten alles, was
    sie klauen konnten. Und als sie ins Publikum pinkelten, hatten wir das alles vorher schon
    gemacht. Und selbst U2 klauten bei den Beatles, als sie von irgendeinem Hausdach
    herunterrockten. Aber das Schlimme daran ist, dass sie es leugnen. Sie leugnen alles.  
    Frage: Bill Wyman ist bekanntlich bei den Rolling
    Stones ausgestiegen, weil er die Strapazen einer langen Welttournee nicht mehr mitmachen
    wollte oder war es gar die vielzitierte Flugangst?  
    Wyman: Warum sollte ich
    Flugangst haben, ich fliege grundsätzlich nicht. Würden die Stones eine Tournee machen,
    die mit Autos zu bewältigen wäre, wäre ich vielleicht noch dabei. Der wirkliche Grund,
    die Rolling Stones zu verlassen, war aber der, weil ich das Gefühl hatte, mit den Stones
    nichts mehr erreichen zu können, was wir noch nicht erreicht hatten. In noch größeren
    Stadien zu spielen oder zum x-ten Mal eine Nr.1-Single in den Charts zu haben, reizte mich
    nicht mehr. Mir ging es darum, mich selbst zu verwirklichen.    
    Das Gespräch führte CHRISTOF GRAF 
    Zitiert aus der    vom 27. April 2000 
     
     
      |