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Bill Wyman's Rhythm Kings am 27. April 2000 in Kaiserslautern

Interview in der Saarbrücker Zeitung

 

 

Bill: "Brücke bauen" !

 

 

Eine Brücke zwischen früher und heute bauen, über die junge Leute gehen können

Ex-Rolling Stones-Bassist Bill Wyman ist auf Deutschlandtournee und heute in Kaiserslautern - Ein Gespräch unter anderem über das neue Album "Groovin"

30 Jahre hat er den Bass bei der berühmtesten Rock 'n' Roll-Band der Welt gezupft. Nach "Struttin'our stuff" und "Anyway the wind blows" ist das im Mai erscheinende Album "Groovin'" die vorerst letzte Veröffentlichung einer Trilogie, mit der Ex-Rolling-Stone Bill Wyman einen musikalischen Bogen zwischen heute und den 20er Jahren spannen möchte. Derzeit stellt Wyman das Album live vor. Seine Deutschland-Tournee führt ihn heute nach Kaiserslautern.

Frage: "Struttin' our stuff" und "Anyway the wind blows" waren die ersten zwei Teile einer angekündigten Trilogie. Was beinhaltet der nun mit "Groovin" betitelte dritte und letzte Teil en detail?
Bill Wyman: Zum einen soll der Titel nicht zu sehr programmatisch interpretiert werden. Das Konzept war von Anfang an das, in Vergessenheit geratene Songs der Vergangenheit wieder aufleben zu lassen, aufzuzeigen, welch großartige Songs die Rockgeschichte seit Beginn der Populären Musik hervorgebracht hat. Wenn die Musik kommerziellen Hintergrund gehabt hätte, hätte ich mir solche Musiker wie Gary Brooker, Georgie Fame, Albert Lee, Roger Waters, Chris Rea oder Mick Taylor nie leisten können. Wir finden die Idee groovig, die Musik groovig, also machten wir den Song "Groovin'" zum Motto des Albums.

Frage: Mit Sicherheit ist es nicht leicht, derartige Songperlen aus der Rockgeschichte herauszufischen. Was waren die Kriterien?
Wyman: Höre ich mich heute durch die Charts, muss ich feststellen, dass es nicht mehr so viele gute Songs gibt. Eigentlich gibt es die schon seit den 70ern nicht mehr. Es gibt zu viele Kopien und zu viele Songs, die nie wirklich entdeckt wurden. Als ich zu Beginn der 60er Jahre mit den Stones tourte, spielten wir viele alte Blues-Songs, die in Deutschland kaum wer kannte. Heutzutage sind diese Songs noch unbekannter. Mir gefällt es solche Songs zu recherchieren und aufzupeppen. "Groovin'" ist eine Mixtur aus Songs aus den späten 30ern bis in die frühen 70er. Etwas Blues, Jazz, Rock 'n' Roll und einige eigens für das Album geschriebene Songs.

Frage: Wenn man auf dem Album Songs wie "I put a spell on you" von Nina Simone hört, hat man den Eindruck, dieses Album sei kommerzieller angelegt, weil etwas bekanntere Songs, als auf den ersten beiden Alben zu finden sind.
Wyman: Ja, das ist richtig. Wir spielten zum Beispiel auch "Daydream" von den "Lovin' Spoonful" neu ein. Die ersten zwei Alben waren zwar recht erfolgreich, aber mir ging es auch darum, das Projekt der "Rhythm Kings" etwas populärer zu machen, nicht unbedingt kommerzieller, aber populärer. Das gelingt nur mit populären Songs oder neuen Hits. Und neue Hits zu schreiben, war nie mein Anliegen. Mir geht es mehr darum, so etwas wie eine Brücke zwischen früher und heute zu bauen, eine Brücke, über die junge Leute gehen können, um diese Songs auch für sich entdecken zu können.

Frage: Wie sehen Sie die Entwicklung der letzten 30 Jahre in der Rockmusik?
Wyman: Grundsätzlich bewegt sich alles in einem Kreislauf. Aber die vergangenen 20 Jahre waren ein einziger großer Kreislauf. Es ist nicht wirklich viel passiert. Ich mag all diese Revivals nicht. Punk war auch nichts wirklich Neues. Auch das gab es schon vorher. Leute wie David Bowie nutzten diese Bewegung, um auf den Zug einer neuen Mode aufzuspringen. Im Grunde genommen war Punk nutzlos und unkreativ. Bands wie die "Sex Pistols" klauten alles, was sie klauen konnten. Und als sie ins Publikum pinkelten, hatten wir das alles vorher schon gemacht. Und selbst U2 klauten bei den Beatles, als sie von irgendeinem Hausdach herunterrockten. Aber das Schlimme daran ist, dass sie es leugnen. Sie leugnen alles.

Frage: Bill Wyman ist bekanntlich bei den Rolling Stones ausgestiegen, weil er die Strapazen einer langen Welttournee nicht mehr mitmachen wollte oder war es gar die vielzitierte Flugangst?
Wyman: Warum sollte ich Flugangst haben, ich fliege grundsätzlich nicht. Würden die Stones eine Tournee machen, die mit Autos zu bewältigen wäre, wäre ich vielleicht noch dabei. Der wirkliche Grund, die Rolling Stones zu verlassen, war aber der, weil ich das Gefühl hatte, mit den Stones nichts mehr erreichen zu können, was wir noch nicht erreicht hatten. In noch größeren Stadien zu spielen oder zum x-ten Mal eine Nr.1-Single in den Charts zu haben, reizte mich nicht mehr. Mir ging es darum, mich selbst zu verwirklichen.  

Das Gespräch führte CHRISTOF GRAF

Zitiert aus der leiste_kurz.gif (3861 Byte)  vom 27. April 2000



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